Wie das Herz unter Schlafstörungen leidet

Informationen aus der Naturheilpraxis von René Gräber

Schlaf ist fast wichtiger als Essen und Trinken.

Und Schlafprobleme und -störungen sind aus gesundheitlicher Sicht ebenso problematisch wie eine Mangelernährung.

Es klingt wie eine Binsenweisheit: Zu wenig Schlaf ist schädlich. Aber warum ein chronischer Schlafmangel schädlich sein soll, das ist noch wenig erforscht. Aber die Wissenschaft beginnt inzwischen zu forschen, warum der Organismus leidet, wenn ihm Schlaf entzogen wird.

In einigen Beiträgen hatte ich bereits darauf hingewiesen:

Betroffen von Schlafmangel sind heutzutage viele Menschen. Es sind Menschen betroffen, die lange arbeiten, die in Nachtschichten tätig sind, die einen unregelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus haben und so weiter. Vor allem medizinisches Personal, das in unregelmäßigen Schichten arbeiten muss, fällt in diese Kategorie. Und wie es aussieht, ist das Herz-Kreislaufsystem von einem Schlafmangel besonders hart betroffen.

Wissenschaftler der Universität Bonn veröffentlichten einige Daten von gesunden Radiologen. Die teilnehmenden Ärzte mussten sich vor und nach einer 24-Stunden-Schicht einem Herzcheck unterziehen, wenn sie im Durchschnitt nur drei Stunden Schlaf hatten. Zu den Untersuchungen zählten Röntgen, Blutdruck und Herzfrequenz und nahmen Blut- und Urinproben. Der Vergleich der Röntgenbilder vorher und nachher ergab Anzeichen von Stress für das Herz, was als Vorbote für Herzprobleme angesehen werden kann. Die Ärzte zeigten ebenfalls deutliche Anstiege von Blutdruck, Herzfrequenz und Schilddrüsenhormonen, die als Stressantwort freigesetzt werden.

Mit nur 20 Probanden war diese Studie sehr klein. Aber schon daran lässt sich feststellen, dass ein Schlafentzug einen negativen Effekt auf das Herz zu haben scheint. Indes zeigen inzwischen etliche größere Studien den Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Hypertonie. Damit hätten wir eine weitere Ursache dafür, dass die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen heute auf einem so hohen Niveau verläuft.

Bluthochdruck ist bekanntlich der Hauptrisiko-Faktor für Herzerkrankungen. Eine Sichtung von 64 wissenschaftlichen Arbeiten ergab, dass Schlaflosigkeit und hoher Blutdruck oft gemeinsam auftreten. Die untersuchten Studien umfassten zwischen 26 und 162.121 Teilnehmern, sodass hier von hoher Aussagekraft ausgegangen werden kann.

Ein anderer Hinweis darauf, dass zu wenig Schlaf Herzerkrankungen mitverursacht, ist der Zusammenhang mit Arteriosklerose. In einer Studie zeigten Forscher, wie schlechter oder zu wenig Schlaf die Gefäßablagerungen fördert. Wer kürzer als sechs Stunden pro Tag schläft, erhöht sein Risiko für subklinische Arteriosklerose um 27 %. Regelmäßig unterbrochener Schlaf ist mit einer um 34 % höheren Wahrscheinlichkeit von dem Früh-Stadium der Gefäßverengung betroffen als ein Normalschläfer (Less Than 6 Hours of Sleep Boosts Cardiovascular Risk, Findings Show).

Nun stellten sich manche Wissenschaftler die Frage, ob Herzerkrankungen wie Angina pectoris und Herzinfarkt mit Schlafstörungen tatsächlich in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Denn es könnte sein, dass beides nur zusammen auftritt, weil sich die Risikogruppen ein gemeinsames Merkmal teilen. Dann wäre der statistische Effekt zwar nicht zufälliger Natur, belege aber keine Kausalität.

Die genetische Veranlagung gibt Hinweise

Um das zu prüfen, analysierten Wissenschaftler die Daten von 1,3 Millionen Menschen, die eine genetische Disposition für Schlafstörungen haben. Bei ihnen war das Risiko für die Entstehung von koronaren Herzkrankheiten, Herzversagen, Herzinsuffizienz und Schlaganfall signifikant erhöht.

Herzprobleme bei Schlafentzug?

Auch diese Studie gibt Hinweise auf die kardiovaskulären Risiken für Menschen, die weniger als sieben Stunden schlafen: Sleep Duration and Cardiovascular Disease: Results from the National Health Interview Survey. Schlafentzug scheint ein eigenständiger Risikofaktor zu sein, der unabhängig von Alter, Gewicht, Rauchen oder Bewegung zu sein scheint.
Die „National Sleep Foundation“ (NSF) in den Vereinigten Staaten veröffentlichte dazu Folgendes:

„Eine Studie, die die Daten von 3000 Erwachsenen im Alter von 45 Jahren und älter untersucht hatte, zeigte, dass jene, die weniger als sechs Stunden pro Nacht schliefen, ein doppelt so hohes Risiko für einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt hatten als Erwachsene, die zwischen sechs und acht Stunden pro Nacht schlafen.

Es ist noch nicht vollkommen klar, warum weniger Schlaf für die Gesundheit des Herzens so abträglich ist. Aber die Forscher glauben, dass zu wenig Schlaf biologische Prozesse, wie Glukosemetabolismus, Blutdruck und Entzündungsprozesse, nachteilig beeinflusst.“

Wie hängen Herzgesundheit und Schlafstörungen zusammen?

Offensichtlich beeinflusst Schlafmangel das Nervensystem auf vielfältige Weise. So kommt es zur Fehlregulation im Zusammenspiel von Gehirn und Hirnanhangsdrüse (Hypothalamus-Hypophysen-Achse), wodurch der Hormonhaushalt aus dem Gleichgewicht gerät. Das sympathische Nervensystem ist dann im erhöhten Erregungszustand, weil es durch die erhöhte Produktion des Adrenocorticotropen Hormons (ACTH) überreizt wird. Die Nebennieren schütten verstärkt die Botenstoffe Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin aus. Die Folgen der veränderten Stoffwechsellage sind neben erhöhtem Blutdruck und schnellerem Puls sowie abgeflachter Herzfrequenz-Variabilität auch Diabetes, Angststörungen und Depressionen. Die erhöhten Entzündungswerte (Interleukin, C-Reaktives Protein, Tumor-Nekrose-Faktor-alpha) sind ein Zeichen für beschleunigte Arteriosklerose (Insomnia and Risk of Cardiovascular Disease).

Von diesen Risiken sind keineswegs nur ältere Menschen bedroht. Eine Studie vom Dezember 2016 zeigt, dass auch Kinder die Risiken eines Schlafentzugs zu fürchten haben (Inverse Relationship between Sleep Duration and Cardio-Ankle Vascular Index in Children). Die Studie zeigte, dass mit kürzer werdender Schlafzeit die Flexibilität der Arterien verloren geht, und das sogar während der Kindheit. Die Versteifung der Arterien ist wiederum ein Risikofaktor für Herzerkrankungen und Schlaganfall.

Schlafapnoe ist für das Herz besonders gefährlich

Die Schlafapnoe ist eine Schlafstörung, die durch Atemaussetzer während des Schlafes gekennzeichnet ist. Dadurch kommt es zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff, worunter besonders das Herz und das Gehirn leiden. Oft wachen die Patienten nachts auf, sodass auch der Schlaf erheblich beeinträchtigt ist. Ein erhöhter Blutdruck stellt einen hinzukommenden Risikofaktor für Herzerkrankungen dar (Sleep deprivation: A cause of high blood pressure?).

Frauen mit einer Schlafapnoe haben tendenziell höhere Konzentrationen des Proteins Troponin T, das ein Biomarker für Herzschädigungen ist. Sie haben auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für ein vergrößertes Herz. Und das ist ebenfalls ein Risikofaktor für eine spätere Herzerkrankung.

Laut NSF spricht einiges dafür, dass unter verkürzten Schlafzeiten bestimmte biochemische Substanzen vom Organismus aktiviert werden, die Blutdruck und Herzfrequenz daran hindern, in Bereiche abzusinken, in denen das Herz sich erholen kann. Damit ist der Schlafentzug ebenfalls ein Risikofaktor für Bluthochdruck und daraus resultierende kardiovaskuläre Probleme.

Diese Studie (Sex-Specific Association of Sleep Apnea Severity With Subclinical Myocardial Injury, Ventricular Hypertrophy, and Heart Failure Risk in a Community-Dwelling Cohort) kam bei der Langzeituntersuchung von 752 Männern und 893 Frauen zu dem Schluss, dass eine Schlafapnoe mit Herzinsuffizienz oder Tod nur bei Frauen assoziiert war. Bei Frauen ohne diese Folgen zeigte sich eine erhöhte Häufigkeit von vergrößerten linken Herzkammern, was über die Jahre ebenfalls zu einer Herzinsuffizienz führen kann.

Die erweiterten Konsequenzen von Schlafmangel

Neben der offensichtlichen Tatsache, durch den Schlafmangel das Herz-Kreislaufsystem zu schädigen, gibt es eine Liste an weiteren Konsequenzen, die als Langzeitschäden möglich sind.

Heute gibt es Hinweise, dass ein zu kurzer Schlaf Gene aktiviert, die Entzündungsprozesse auslösen und das Immunsystem überfordern, was wiederum das Risiko für Diabetes, für das metabolische Syndrom (Risk of type 2 diabetes in patients with insomnia: A population-based historical cohort study), Übergewicht (Association between sleep disorders, obesity, and exercise: a review) und letztlich auch Krebs erhöht.

Es wird auch vermutet, dass unter diesen Bedingungen die Produktion von neuen Neuronen im Gehirn eingestellt wird. Gleichzeitig wird das Stresshormon Cortisol erhöht, das einen negativen Effekt auf die Neubildung von Neuronen hat.

Schlafmangel steigert das Risiko, an Morbus Alzheimer zu erkranken (Sleep deprivation impairs memory, tau metabolism, and synaptic integrity of a mouse model of Alzheimer’s disease with plaques and tangles), weil die Blut-Hirn-Schranke (BHS, Hirnhäute) geschwächt ist. Giftstoffe können so verstärkt ins Nervengewebe des Gehirns eindringen. Mit zunehmendem Alter lässt die Schutzfunktion der BHS ohnehin nach, weswegen Schlafstörungen sich an dieser Stelle als sehr ungünstig erweisen (Age-associated physiological and pathological changes at the blood–brain barrier: A review). Hinzu kommt die Schädigung des glymphatischen Systems des Gehirns, das eine spezielle Form der Schlackenableitung darstellt.

Die Irritationen des Hormonsystems, die durch Schlafmangel entstehen, haben sogar Auswirkungen auf unsere Knochen. Schlechte Schläfer erkranken häufiger an Osteoporose, wie Studien nahelegen (Sharing Pathological Mechanisms of Insomnia and Osteoporosis, and a New Perspective on Safe Drug Choice).

Schlafstörungen verschlimmern Schmerzen bei chronischen Krankheiten, fördern die Entstehung von Magengeschwüren, beeinträchtigen die Sexualfunktion und sind mitbestimmende Begleitumstände von etlichen psychischen Krankheiten.

Bei einer derartigen Liste von Risiken ist es nicht erstaunlich, dass Schlafmangel zu einem frühzeitigen Altern führt (Partial sleep deprivation activates the DNA damage response [DDR] and the senescence-associated secretory phenotype [SASP] in aged adult humans und How sleep deprivation ages you quicker). Denn die Zeit, in der während des Schlafs Wachstumshormone produziert und freigesetzt werden, ist bei einem Schlafmangel und bei schlechter Schlafqualität zu kurz, um ausreichend hohe Mengen an Hormonen zu produzieren.

Kaum erwähnen muss man deswegen, dass auch die Wahrscheinlichkeit, vorzeitig zu versterben, höher ist, wenn weniger als sieben Stunden täglich ruht (PERSISTENT INSOMNIA IS ASSOCIATED WITH MORTALITY RISK).

Andere Risiken

Als wenn Menschen mit Schlafstörungen nicht schon genug Risiken ausgesetzt wären, wirft ihnen die Politik noch zusätzliche Steine in den Weg. Gemeint ist die Uhrzeitverstellung (MESZ), die nachweislich negative Auswirkungen für die Gesundheit hat. Immer nach den Umstellungen der Uhren steigt die Zahl der Herzinfarkte um 10 % (Shifts to and from Daylight Saving Time and Incidence of Myocardial Infarction). Das wird mit höherer Wahrscheinlichkeit die Menschen treffen, die unter gestörter Nachtruhe leiden.

Wie es den Anschein hat, gibt es noch weitere Risiken, die mit einem organischen Geschehen erst einmal nichts zu tun haben. Aber es scheint einleuchtend zu sein, dass bei zu wenig Schlaf die Fähigkeit zur Konzentration und Problemlösung eingeschränkt ist, und dass die Reaktionszeiten ebenfalls unter normal liegen. Die Reaktionen auf Ereignisse erfolgen zumeist später als normal – wenn auch nur um den Bruchteil einer Sekunde. Dieser Bruchteil kann jedoch unter Umständen fatale Folgen haben, zum Beispiel beim Autofahren oder anderen Betätigungen, wo schnelles und korrektes Reagieren von höchster Wichtigkeit ist. Eine ähnliche Einschränkung erleben wir zum Beispiel bei Alkoholkonsum, weshalb es nicht ratsam ist, unter Alkoholeinfluss Auto zu fahren.

Die „Foundation for Traffic Safety“ in den USA hat in einer eigenen Studie festgestellt, dass 7 Prozent aller Unfälle, 13 Prozent aller Krankenhauseinweisungen nach Unfall und 21 Prozent aller tödlichen Unfälle auf Schläfrigkeit des Fahrers zurückzuführen sind. Weiter: Fahrer, die für gewöhnlich weniger als fünf Stunden pro Nacht schlafen, Fahrer, die weniger als sieben Stunden in den letzten 24 Stunden geschlafen hatten, und Fahrer, die eine oder zwei Stunden weniger als gewöhnlich geschlafen hatten, zeigten signifikant höhere Unfallraten. Das geschätzte Risiko für einen Unfall bei einer Fahrt nach nur 4 bis 5 Stunden Schlaf entsprach dem Risiko für einen Unfall unter einem erhöhten Blutalkoholspiegel.

Aber auch in anderen Bereichen scheint der Schlafentzug mit katastrophalen Konsequenzen verbunden zu sein. So weiß man heute, dass in Tschernobyl, dessen Atomreaktor 1986 explodierte, die verantwortlichen Ingenieure vor dem Unglück mehr als 13 Stunden am Stück hatten arbeiten müssen.

Im gleichen Jahr explodierte die Challenger Raumfähre kurz nach dem Start und tötete alle sieben Besatzungsmitglieder. Die Verantwortlichen, die für den Start zuständig waren, hatten zuvor bestenfalls zwei Stunden schlafen können und mussten zu nachtschlafender Zeit um 1:00 Uhr nachts mit ihrer Arbeit beginnen.

Ein Reaktorunglück in Three Mile Island im Jahr 1979, das sich in den frühen Morgenstunden zwischen 4:00 und 6:00 Uhr ereignete, wurde ebenfalls durch menschliches Versagen ausgelöst, welches wiederum auf Schlafmangel zurückzuführen war.

Im Jahr 1989 lief der Supertanker von Exxon Valdez vor Alaska auf Grund und verlor Tausende von Litern Rohöl. Über etliche Kilometer war die Küste von Alaska mit Öl verseucht. Grund für die Tragödie war ein Seemann, der mit seiner Crew zuvor eine 22-stündige Schicht hatte arbeiten müssen, und der bei seiner Aufsichtstätigkeit eingeschlafen war.

Es gibt auch einige Berichte von Flugzeugabstürzen, die durch menschliches Versagen verursacht wurden, welche auf Fehlreaktionen basierten, die durch Schlafentzug provoziert wurden.

Wie es den Anschein hat, hat auch ein geringer Schlafmangel eine schädigende Wirkung. Dies gilt auch für das Umstellen der Uhren auf Sommerzeit bzw. Winterzeit. Wie schädigend diese Wirkung zu sein scheint, habe ich hier beschrieben: Mehr Schlaganfälle nach der Zeitumstellung auf „Sommer“-Zeit (MESZ).

Fazit

Schlafmangel ist mehr als nur ein besonders unangenehmes Gefühl von Müdigkeit. Chronischer Schlafmangel ist ein eigenständiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und in der Folge für weitere Erkrankungen, die wir nur zur Genüge kennen. Wer schläft, der sündigt nicht, so heißt es. Wer nicht schläft oder zu wenig schläft, der sündigt in Bezug auf seine Gesundheit, sage ich.

Da lohnt es sich schon, sich damit zu befassen, wie die Schlafqualität verbessert werden kann. Dazu gehören die Gestaltung des Schlafraums und einige Maßnahmen der gesunden Lebensführung.