Alpträume – Schreckgespenster der Nacht. Woher kommen sie und wie geht man damit um?
Informationen aus der Naturheilpraxis von René Gräber

Alpträume kennen wohl alle Menschen. Auch „Albtraum“ ist eine erlaubte Schreibweise in Anlehnung an die
vermutete Wortherkunft von „Alb“, die Elfe.
Die geisterhaften Wesen, deren Name heute eher einen guten Klang hat, galten dereinst als übelwollende Dämonen,
mit denen die Menschen früher die grauenhaften Traumbilder erklären wollten. In rund der Hälfte aller Alpträume
erscheinen menschenähnliche Monster, die uns verfolgen und an Leib und Leben bedrohen.
Doch die Horrorwesen drangsalieren den Träumenden auch psychologisch. In etwa 20 % der angstauslösenden
Geschichten sind es Erniedrigungen, Betrug und Abweisung, die Ängste mit gleicher Intensität erzeugen wie physische
Bedrohung und Angriff. In rund einem Zehntel der Alpträume kommen Todesfälle von Angehörigen, Freunden oder Fremden
vor. Auch der Träumende selber kann in der nächtlichen Vision sterben. Wenig vertreten ist der Traum vom Sturz aus
großer Höhe. Neben diesen typischen Motiven der Nachtmahr sind es seltsame, bedrohliche Tiere oder surreale
Vorgänge, die vor dem geistigen Auge des Schlafenden erscheinen.
Diese Inhaltsangaben und Häufigkeitsverteilungen entstammen einer Untersuchung von Dr. Robert und Dr. Zadra
(https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3900621/).
Alpträume sind verbunden mit extremen Gefühlswahrnehmungen wie Angst, Panik, Ekel, Scham und Verunsicherung. Oft
beeinflussen die virtuellen Erlebnisse die Stimmung des ganzen nachfolgenden Tages negativ. Bei Heranwachsenden im
Alter zwischen 5 und 10 Jahren sind Alpträume fast normal. In Umfragen berichteten 70 % bis 90 % aller Erwachsenen
von regelmäßigen Horror-Träumen in der Kindheit. Studien belegen auch, dass Mädchen und Jungen anteilmäßig gleich
stark betroffen sind. Das ändert sich im Erwachsenenalter. Dann leiden Frauen viel öfter als Männer unter den
belastenden Träumen. Allerdings nimmt die Häufigkeit von Alpträumen generell jenseits des 10. Lebensjahres ab
(https://www.spektrum.de/ratgeber/albtraeume/1061399).
Menschen mit sozialen und kreativen Berufen sind signifikant häufiger von der Nachtmahr geplagt als Menschen aus
kaufmännischen oder technischen Branchen (https://www.psychosoziale-gesundheit.net/pdf/Int.1-Alptraeume.pdf).
Gefühlsausbruch im REM-Schlaf
Medizinisch betrachtet gehören Alpträume zu den Parasomnien oder Schlafstörungen. Die hochemotionalen Träume
entstehen im Limbischen System, einem uralten Gehirn-Areal. Dort liegt der Ursprung des Gefühlslebens und unserer
Instinkte wie Hunger und Sexualität. Der Alptraum findet meistens in der REM-Phase (Rapid Eye Movement) statt, also
im Tiefschlaf (https://lexikon.stangl.eu/3811/alptraum-albtraum/).
Daher ist es überwiegend die zweite Nachthälfte, die dem Träumenden schwer zu schaffen macht. Weil der
Muskel-Tonus im Tiefschlaf stark herabgesetzt ist, tritt ein anderes, die Nachtmahr kennzeichnendes Phänomen auf:
Die Schlafenden fühlen sich bedroht und können nicht flüchten, weil sie wie gelähmt sind. Auch Hilfeschreie im
Traum sind unmöglich. Dadurch kommt das quälende Gefühl der kompletten Hilflosigkeit hinzu.
Typischerweise erwacht der Träumende und erkennt schnell, was er im Schlaf nicht merkte: Dass alles nur Traum
und nicht Realität war. Die Erinnerung an den Alptraum ist glasklar.
Ein weiteres Kriterium für den Alptraum sind die negativen Auswirkungen auf die Befindlichkeit, die allgemeine
Gesundheit und das soziale Leben. Bei gelegentlichen Alpträumen sind diese Effekte wie Depressionen und Reizbarkeit
oft nur auf einen Tag begrenzt. Ernster werden die Folgebeschwerden bei häufiger vorkommenden Alpträumen. Zunehmend
kann eine Angst vor dem Einschlafen entstehen und wachsender Schlafmangel macht den Betroffenen das Leben schwer.
Im Extremfall kommen Suizid-Gedanken auf oder schon vorhandene Selbstmord-Phantasien werden verstärkt. Auf diesem
Wege werden Alpträume dann sogar lebensgefährlich.
Mit diesen Kennzeichen werden die Alpträume von ähnlichen Parasomnien abgegrenzt. Die Nachtangst (Pavor
nocturnus) tritt ausschließlich in der Non-REM-Phase auf. Die Patienten schrecken aus dem flachen Schlaf empor und
sind minutenlang desorientiert und können sich danach kaum daran erinnern, wie ihnen geschah. Schlafwandler
erwachen aus ihrem somnambulen Zustand gar nicht, sind sogar kaum zu wecken, auch nicht durch Schütteln oder
Anschreien. Erinnern können sich die betroffenen Menschen auch nicht. Angstträume gleichen den Alpträumen am
ehesten. Nur das fehlende Aufwachen ist das einzige Unterscheidungsmerkmal der beiden Parasomnien, weswegen die
Angsträume auch manchmal den Alpträumen zugerechnet werden.
Manchmal sind die Ursachen unbekannt – aber oft liegen Traumata zugrunde
Leidet ein Mensch bis zu einmal im Monat unter einem Alptraum, gilt dies noch als normal. Oft liegt dann die
idiopathische Form des Alptraums vor, dessen Ursache nicht erkennbar und daher unbekannt ist. Psychologen vermuten
aber, dass hier der Alltagsstress eine Rolle spielt, wie ja auch oft unsere Tageserlebnisse in anderen Träumen
wiederkehren.
Oberhalb der kritischen Häufigkeit von 12 Alpträumen pro Jahr liegen meist feststellbare Gründe vor. Psychische
Erkrankungen wie Schizophrenie oder Depressionen sowie Persönlichkeitsstörungen (zum Beispiel Borderline) können
Ursachen der nächtlichen Horror-Visionen sein. Erhöht ist die Häufigkeit der Alpträume bei psychiatrischen
Krankheitsbildern in akuten Schüben und lässt meistens in kompensierten Perioden nach.
Auch Drogen und Alkohol können Alpträume auslösen, aber auch Medikamente wie Benzodiazepine (zum Beispiel
Valium) und andere Tranquilizer und Hypnotika. Nicht nur der akute und chronische Konsum solcher psychotroper
Substanzen ist hier relevant, sondern auch die Entzugs-Symptome während einer Entgiftung. Im Delirium treten
Halluzinationen regelmäßig schon im Wachzustand auf, woraus sich Alpträume natürlicherweise erklären. Nach der
Entgiftung und Entwöhnung gehen die Alpträume in aller Regel zurück.
Gravierender und schwerer zu behandeln sind die posttraumatischen Alpträume. Der Traum handelt in den meisten
Fällen vom dem verursachenden Schreckenserlebnis. Die Nachtmahr erscheint regelmäßig und sehr oft, also mehrfach im
Monat oder sogar täglich und manchmal auch mehrmals pro Nacht. Abweichend von der idiopathischen Variante tritt der
posttraumatische Alptraum auch in der Non-REM-Phase auf. Außerdem sind die vegetativen Symptome wie Hypertonie,
Herzrasen und Schweißausbrüche heftiger ausgeprägt als bei den idiopathischen Alpträumen.
Viele Therapie-Möglichkeiten, die auch abhängig von der Ursache sind
Wer unter Alpträumen leidet, kann über den Hausarzt einen spezialisierten Therapeuten aufsuchen. Die Diagnose
erstellt der Mediziner anhand einer Patientenbefragung, in der die Häufigkeit, die Trauminhalte sowie die
Folgebeschwerden geklärt werden müssen. Damit ist schon ein Schritt der Therapie gemacht, denn die
Auseinandersetzung mit dem Alptraum ist außerordentlich wichtig. Zunächst erstellt der Ratsuchende ein
Traumtagebuch mit detaillierten Schilderungen der im Schlaf erlebten Geschichten.
Die Konfrontations-Therapie
Wenn ein Alptraum immer wiederkehrt, dient er als Ansatzpunkt in der Konfrontations-Therapie, auch
Expositions-Behandlung genannt. Der Patient vergegenwärtigt sich den Ablauf des Alptraumes, unterstützt durch das
Lesen seiner eigenen schriftlichen Schilderungen. Dadurch gewöhnt sich der Leidende an den Traum, wodurch er im
Schlaf keine Angst mehr wahrnimmt. Zwar verschwindet der Alptraum damit nicht ganz, aber er verursacht keine
Beklemmung mehr, sodass auch das plötzliche Aufwachen unterbleibt. Der Therapeut spricht von einer
„Desensibilisierung“. Mit der Reduktion der Angst lassen auch die Folgebeschwerden nach, weil auch kein
Schlafmangel mehr auftritt.
Die Imagery-Rehearsal-Therapie (IRT)
Ein anderes Konzept verfolgt die Imagery-Rehearsal-Therapie (IRT). Mit dieser Methode soll der Patient lernen,
eine bestimmte, wiederholt geträumte Nachtmahr abzuwandeln. Die neue Version des Traumes beinhaltet keine
bedrohlichen Episoden mehr und die Geschichte nimmt einen guten Ausgang. Eine Möglichkeit ist beispielsweise die
Vorstellung eines Retters oder Helfers, der dem Traumgeschehen zugefügt wird.
Am besten funktioniert die Technik dann, wenn das umgeschriebene Drehbuch sich so nahe wie möglich an den
Alptraum anlehnt. Therapeutisch wird das dadurch erzielt, dass sich der Patient die neue Traum-Version regelmäßig
vergegenwärtigt. Die Technik des katathymen Bilderlebens kann hier unterstützend angewendet werden. Mit
geschlossenen Augen soll sich der Patient in einen Tagtraum hineinsteigern, in dem er die geänderten Trauminhalte
auch bildhaft wahrnimmt . So wird der schlechte zum guten Traum und auch die Häufigkeit soll schrittweise
nachlassen.
Die IRT soll schon nach einer Woche gute Erfolge zeitigen (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4120639/).
Das luzide Träumen
Eine weitere Therapie bei Alpträumen ist das luzide Träumen oder Klarträumen. Der Patient lernt hier, während
des Schlafes Träume als solche zu erkennen und nicht als real wahrzunehmen. Zudem kann der Klarträumer seine Träume
lenken, er wird zum bewusst Handelnden und gestaltet willkürlich alle Orte, Personen und Situationen, die im Traum
erscheinen. Besonders geeignet ist die Methode, wenn der Patient von ständig wechselnden und immer neuen Alpträumen
geplagt wird. Leider sind nicht alle Menschen gleichermaßen dazu im Stande, diese überragende Fähigkeit zu
erwerben. Auch ist die Methode sehr langwierig und erfordert wochen- oder monatelang das Führen eines
Traumtagebuches, in dem alle vorkommenden Träume erfasst werden (A. L. Zadra, R. O. Pihl, Lucid dreaming as a
treatment for recurrent nightmares. In: Psychother Psychosom. 1997).
Psychopharmaka als letztes und sehr bedenkliches Mittel
Ultima Ratio bei schweren posttraumatischen Alpträumen ist die medikamentöse Behandlung. Doch Antidepressiva,
Anxiolytika, Neuroleptika und Tranquilizer haben einen entscheidenden Nachteil: Sie wirken unter anderem durch eine
Reduktion des REM-Schlafes, wodurch die allgemeine Schlaf-Qualität abnimmt und die Erholung der Nachtruhe weniger
effektiv ist. Zudem kommt es zur Toleranz-Entwicklung und eine Abhängigkeit kann die Folge sein. Diese
Therapie-Form sehe ich daher sehr kritisch.
Grunderkrankungen sollten erkannt und behandelt werden
Bei psychiatrischen Grunderkrankungen oder einer Sucht-Problematik leitet der Arzt eine entsprechende Therapie
ein. Ist die Ursache der Alpträume beseitigt, kehren sie nicht oder nicht mehr so häufig zurück. Am schwierigsten
ist die Behandlung der posttraumatischen Alpträume, deren Ursache eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
ist. Hier ist letztlich auch eine Trauma-Therapie erforderlich, deren einzelne Ansätze der Behandlung gegen
Alpträume ähnlich sind. Während der Therapie-Sitzungen soll der Patient das Trauma erneut „durchleben“, wobei eine
Verarbeitung der Schreckensereignisse stattfinden soll. Im Grunde ist der Alptraum auch ein immer wieder erneutes
Aufflammen des Schocks, nur ist der Patient im Schlaf hilflos und ohne Begleitung des Therapeuten.
Die Heilungs-Chancen sind gut
Gelegentliche Alpträume sind normal und bedürfen meistens keiner Behandlung. Bei Kindern treten sie in der Regel
viel häufiger auf und sind nicht besorgniserregend. Trotzdem sollten Eltern dies nicht einfach übergehen. Ein
beruhigendes Gespräch schon in der Nacht kann hier bereits hilfreich sein und bei Bedarf kann in der Familie über
den Traum auch am Folgetag nochmals gesprochen werden. Wichtig ist dabei eine aufgeschlossene und sachliche
Atmosphäre.
Dauern die Alpträume in verstärktem Maße noch über das 10 Lebensjahr hinaus an, bestehen zusammen mit einem
Fach-Therapeuten gute Chancen, das Problem in den Griff zu bekommen. Bei Menschen über 60 Jahren geht die Tendenz
zu Alpträumen zurück.
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